"Europa ist dekadent", so sprach neulich der große kleine Zar im Kreml. Und an einem anderen Ort, jenseits des großen atlantischen Ozeans gibt es eine Gruppe, die sich Tea Party nennt und sich auch dem Kampf
gegen die Dekadenz auf ihre Fahnen geheftet hat. Ob letztere aber auch weiß, wo Europa ist, darf mit Recht bezweifelt werden.
Das Wort ist ein fester Teil der Kampfrhetorik totalitärer Systeme und gilt als abwertende Bezeichnung für das Streben des Menschen nach Freiheit und Individualismus. Und genau deswegen hat die Dekadenz viel mehr Bewunderer als Gegner. Im Grunde genommen ist sie genau das, was unser schönes Europa so lebens- und liebenswert macht.
In der Ukraine gehen die Menschen auf die Straße, weil sie sehnsüchtig nach der europäischen Dekadenz streben und auch in Russland gibt es Bürgerrechtsgruppen wie etwa Pussy Riot, die wegen ihres Wunschtraumes schweren staatlichen Repressalien ausgesetzt sind. Es darf niemanden verwundern, wenn sich der große kleine Zar im Kreml davon bedroht fühlt, da ein Durchbruch der Dekadenz in seinem Reich zweifelsohne das Ende seiner Macht und jener der Oligarchen nach sich zöge.
Aber die Dekadenz hat besonders im vergangenen Jahrhundert die blutrünstigsten Regime und die mörderischsten Kriege überlebt. Sie wird auch die gegenwärtigen Krisen überleben. Europa ist auch ohne Waffen stark.
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