Mittwoch, 5. November 2014

Und wieder geht's um's Öl

Die Erinnerung an den Unfall im Golf von Mexiko ist noch sehr frisch. Und über die Risiken, die mit Bohrungen in großen Meerestiefen verbunden sind gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Dass nun aber solche Bohrungen in einem ökologisch sensiblen Gebiet geplant sind, dass noch dazu in
einer vulkanisch aktiven Zone liegt, erzeugt großes Unbehagen, zumal es sich dabei um ein begehrtes Ferienparadies für viele Europäer handelt.

Eine transeuropäische Bürgerinitaiative hat sich gegen dieses Vorhaben konstituiert und eine Petition kann unterschrieben werden.

Damit der Dialog darüber sachlich bleibt und nicht ins Emotionale abgleitet habe ich auf Facebook einige Fragen an die Initiatoren gestellt und bedanke mich für die sachlichen Antworten:

Thomas Wetschnig Ja, die Petition habe ich bereits unterschrieben. Aber eine Frage will ich mir dennoch erlauben: wer von Euch ist mit dem Segelschiff angereist? 
Save Canarias Deutschland Wir sind uns sehr wohl bewusst dass ein Leben ohne Erdöl im Moment nicht machbar ist. Aber vor den Kanaren nach Erdöl zu bohren ist ein Wahnsinn. Schon alleine wegen dem Wasser. Wir haben kein Trinkwasser und sind zu 100% auf Meerentsalzungsanlagen angewiesen. Experten warnen immer wieder, ein Ölaustritt würde die Anlagen für Monate ausser Betrieb setzen. Das wäre eine Katastrophe für uns und unsere Touristen!!
Thomas Wetschnig Ich freue mich, dass ich mal ein Feedback auf meine Gedanken bekomme. Immerhin kenne ich die Kanarischen Inseln schon seit 30 Jahren und komme immer wieder gerne her. Gerade deshalb kann ich es auch nicht lassen, kritische Fragen zu stellen, wie etwa warum auf Inseln, auf denen an mindestens 340 Tagen im Jahr die Sonne scheint immer noch der größte Anteil der Stromerzeugung durch Dieselgeneratoren erfolgt (ausgenommen el Hierro!!) oder warum es an den kanarischen Tankstellen immer noch den billigsten Sprit Europas gibt. Und all diese Treibstoffe, wie auch das Rohöl für die Raffinerie in Sta. Cruz werden zwangsläufig mit Tankern transportiert (womit denn sonst?) von denen jeder für sich ein potenzielles Unfallrisiko darstellt, auch wenn dankenswerterweise bisher in kanarischen Gewässern noch nichts dergleichen passiert ist. Wenn ich mir die Liste der Ölunfälle von 1910 bis heute ansehe, stelle ich fest, dass die allermeisten von leckgeschlagenen Tankern verursacht wurden. Deshalb würde es mich sehr interessieren, ob es wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse oder mathematisch statistische Berechnungen gibt, wonach von Förderplattformen ein größeres Risiko ausgeht als von Tankern. Außerdem habe ich vernommen, dass in marokkanischen Gewässern schon seit längerer Zeit Bohrungen im Gange sein sollen. Sollte man dort fündig werden, liegt angeblich auch schon die Bewilligung zur Förderung seitens der marokkanischen Regierung vor. Dazu muss man wissen, dass dort ein absolutistischer Monarch das letzte Wort hat, der sich um Proteste und Bürgerinitiativen wohl wenig kümmern dürfte. Meine Frage lautet daher: Wie werdet Ihr mit der Situation umgehen, wenn Förderung auf marokkanisches Gebiet beschränkt bleiben sollte. Immerhin wäre die potenzielle Bedrohung für die kanarischen Inseln gleich, wenn nicht sogar größer, weil dort die strengen EU-Sicherheitsauflagen wahrscheinlich nicht zur Anwendung kämen. Ich würde mich freuen, wenn es uns endlich gelänge, uns aus dieser teuflischen Abhängigkeit vom Öl zu befreien, aber nach Ansicht zahlreicher Experten müssen für dieses Vorhaben 20 bis 30 Jahre veranschlagt werden. Es würde mich somit gar nicht mehr betreffen, wäre es nicht meinen Kindern geschuldet. Not macht bekanntlich erfinderisch. Der aus dieser Logik zu folgernde Umkehrschluss muss daher lauten: Ohne Not gibt's keine neuen Erfindungen. Momentan sieht's wohl eher danach aus, als wäre die Not noch nicht groß genug.
Save Canarias Deutschland Es stimmt schon die Kanaren hätten schon vor langer Zeit auf erneuerbare Energie umrüsten sollen. Aber wir haben geschlafen (ausser El Hierro!) Wir haben die Sonne, den Wind, die Kraft der Wellen und wir grillen Hähnchen über Vulkanglut!!
Bis 2010 hat 
Spanien eine führende Position in Sachen Windenergie eingenommen (gleich hinter Deutschland und der USA). Zwei der grössten Photovoltaik Anlagen befinden sich in Spanien. In 2005 entschied Spanien, als weltweit erstes Land, ein Gesetz, indem alle Neubauten Sonnenkollektoren montieren müssen. 2007 wurden im spanischen Amtsblatthttps://www.boe.es/boe/dias/2007/05/26/pdfs/A22846-22886.pdfMöglichkeiten zu Subventionen veröffentlicht. Eine sichere Sache für Investoren, Unternehmer,…55.000 Personen haben sich daraufhin durch Hilfe von Bankfinanzierungen, Anleihen aufs eigene Haus etc. dem Boom der grünen Energie verschrieben. 
Mit Einzug der neuen Regierung in 2011 änderte sich aber alles. Anstatt diesen Weg weiterzuführen, wurden die Subventionen gekürzt oder gestrichen. Rückwirkend!!Tausende von Unternehmern wurden ruiniert. Viele ausländische Investoren verloren ihr Vertrauen in die spanische Regierung! Im Februar dieses Jahres wurden weitere 1.7 Milliarden Euro für Wind und Sonnenenergie gestrichen!http://www.eleconomista.es/.../La-CNMC-da-a-conocer-la...
Aber nicht nur das, dem normalen Bürger ist in Spanien nicht erlaubt, eine Photovoltaik Anlage auf sein Dach zu montieren, ohne eine öffentliche Gebühr von ca. 4000 Euro zu bezahlen und dann gibt es noch die Steuer auf die Solarenergie!!! 

Die Tanker sind natürlich nach wie vor eine Gefahr. Im Sommer gab es einen von erdölverschmutzten Strand auf Gran Canaria. Durch einen vorbeifahrenden Öltanker der sein Altöl abgelassen hatte. 
Der Strand musste gesperrt werden. Es gab keine Hilfe von der Regierung. Kein Krisenkabinett oder sonstiges. Der Bürgermeister musste über Radio, TV und Facebook Freiwillige anheuern um beim sauber machen zu helfen. Die Regierung schaut auf die Seite.

Thema Marokko:
Es gab vier Demonstrationen gegen die Erdölbohrungen. Und jedesmal kam danach die Nachricht das Marokko Erdöl gefunden hätte! Dazu ein Bericht des Oficina Acción Global (OAG) der Inselregierung von Lanzarote: 
Hinsichtlich der heute veröffentlichten Nachricht, dass in marokkanischen Gewässern, 200 km von den Kanarischen Inseln, Erdöl gefunden wurde, weist der OAG auf folgendes hin: 

Viel Wirbel um nichts: Es ist das vierte Mal, dass die spanischen Medien ankündigen, dass Marokko Erdöl in ihrem Gebiet gefunden hat, aber bis jetzt hat sich diese Nachricht immer wieder in Rauch aufgelöst. Sie erinnern sich sicherlich. Im März 2014 gab es eine grosse Ankündigung, die dann sogar von der marokkanischen Regierung widerlegt wurde. Drei Tage zuvor hatte das Cabildo von Lanzarote schon veröffentlicht das die Ankündigung nicht der Wahrheit entspreche:

link auf spanisch:
http://www.eldiario.es/.../petroleo-Marruecos-aguas... 

http://www.eldiario.es/.../Lanzarote-petroleo-marroqui... 

In jedem Fall ist es die Regierung von Spanien, der die Sicherheit der Kanarischen Inseln untersteht. Man sollte deshalb fragen:

Nachdem es sich um ein gefährliches Vorhaben handelt, bei dem die Kanaren gefährdet sein könnten, warum schreitet dann die Spanische Regierung nicht ein? So wie sie es 1999 getan hat, und den Bau eines Kernkraftwerkes in Tan Tan verhindert hatte? Die Stadt Tan Tan liegt genau 200km von den Kanaren entfernt, also genau die gleiche Entfernung wie der jetzt angekündigte Fund von Erdöl. 

Hat Spanien sichergestellt, dass die marokkanischen Bohrungen in dem Gebiet, in Übereinstimmung mit dem internationalen Völkerrecht steht? 

Hat die Regierung von Spanien die marokkanischen Behörden aufgefordert die Studien der Umweltauswirkung von den Ölkonzernen einzusehen, um die Risikostufe für die gesamte Region aber vor allem für die Kanaren zu beurteilen?

Nachdem es sich um einen Eingriff von grenzüberschreitender Natur handelt - wie das Spanische Umweltministerium versichert - stellt sich die Frage, ob die Spanische Regierung von Marokko die Umweltverträglichkeitserklärung beantragt hat.

Kann die Spanische Regierung garantieren, dass Marokko über einen Notfallplan verfügt, um etwaigen Ölaustritten Herr zu werden und um einen Ölteppich einzugrenzen?

Wer entschädigt die betroffene Kanarische Bevölkerung und deren Wirtschaftssektor, Im Falle eines Ölteppichs aus Marokko?

Fordert Spanien von Marokko die anspruchsvolle und strikte Einhaltung der neuen Richtlinie 2013/30 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Sicherheit von Exploration und Abbau von Öl und Gas auf offenem Meer? 

Warum erfahren die Kanaren aus der Presse über diesen Hochrisikofaktor für die Inseln, und nicht durch die zuständige, spanische Behörde mit einer genauen Beurteilung über Risiken und Präventionsmaßnahmen? 

Spanien trägt die Verantwortung, die allgemeinen Interessen der Kanarischen Inseln über die Interessen eines privaten Multinationalen Ölkonzerns zu wahren. Daher muss nicht nur unverzüglich die Tätigkeit von Repsol vor den Kanarischen Inseln eingestellt werden, sondern, Spanien hat auch die Pflicht, sofort einzuschreiten und mit Marokko zu verhandeln um sicherzustellen, dass keine Tätigkeit in marokkanischen Gewässern den Kanarischen Inseln in irgend einer Art und Weise schaden könnte. 

Das Global Action Büro erinnert daran, dass das spanische Umweltministerium, durch einen vom Direktor für Nachhaltigkeit in Küsten- und Meergebieten, Herr Pablo Saavedra Inaraja, am 4.April 2013 unterzeichneten Bericht, dem Industrieministerium von Herrn Soria mitteilte, dass die Notwendigkeit einer Konsultationsperiode für Spanien und Marokko auf Grund des grenzüberschreitenden Eingriffs bestehe. Herr Minister Soria ignorierte diese Aufforderung zu jener Zeit, sollte sie aber in diesem Moment ernst nehmen um sicherzustellen, dass die Kanarischen Inseln keiner Gefahr ausgesetzt werden.

Vorteile: Die PP-Regierung und Repsol wollen uns glauben machen, dass dies ein Wettrennen ist, bei dem ein Land das andere überholen will um in Führung zu gehen. Aber die Realität ist eine ganz andere. Und mit Sicherheit sind es nicht die Bürger die von den Bohrungen profitieren werden, sondern die Öl Magnate und vier Freunde in sehr guten Positionen.
Thomas Wetschnig Ich bedanke mich für diesen ausführlichen Bericht. Er beantwortet den größten Teil meiner Fragen. Wahrscheinlich lässt sich in Brüssel mehr erreichen als in Madrid. Und spätestens in einem Jahr, wenn das Parlament neu gewählt wird, werden die Karten ohnehin wieder neu gemischt. Andererseits: wenn in marokkanischen Gewässern schon länger gebohrt und nichts gefunden wurde, warum haben die Ölfirmen dort die Suche nicht schon längst aufgegeben? Gibt es gesicherte Indizien, dass es dort überhaupt Vorkommen gibt? Und last not least noch ein anderer Aspekt: Norwegen ist bekanntlich ein Land, das dem Naturschutz sehr hohe Priorität einräumt und dennoch wird dort vor den Küsten schon seit Jahrzehnten Öl gefördert, welches Norwegen zum reichsten Land Europas machte. Mich würde nur interessieren, ob dort hinsichtlich Unfallrisken, die ja niemals vollkommen ausgeschlossen werden können, andere Gegebenheiten bestehen als in den Gewässern zwischen Marokko und den Kanaren? Nochmals vielen Dank für die Information. 
Save Canarias Deutschland Thomas, wie du in unserem Bericht sehen kannst, waren wir sehr erfolgreich in Europa. Die Kanarische Regierung ist zuversichtlich dass die Bohrungen vorübergehend eingestellt werden,,,Mal sehen! Nun zu deinen Fragen: Einige Erdölkonzerne haben auf Marokko schon gebohrt, aber das Öl das gefunden wurde war qualitativ nicht gut genug. Für die Konzerne bedeutet das, "es gibt Öl, wir müssen nur das gute finden". Rabat hat kürzlich angekündigt "Leute, wenn wir was finden sagen wir es euch schon" Ein anderer Aspekt der in dieser Hinsicht oft vergessen wird, ist die Frage, wo genau liegt die Grenze zwischen den Kanaren, also spanischem Gewässer, und marokkanischem Gewässer?? Diese Frage ist nie richtig geklärt worden und wir wissen das es kein Zufall ist, das Spanien den Militärstützpunkt auf Fuerteventura 2013 ausgeweitet und verschärft hat. "Um uns vor dem Nachbarn zu schützen" wie ein Oberbefehlshaber sagte. Norwegen kann man nicht mit den Kanaren vergleichen. Zum ersten ist der Erdölkonzern zum Grossteil verstaatlicht. Auf den Kanaren handelt es sich um einen rein privaten Konzern!! Auf der anderen Seite, Norwegen hat Bodenschätze, Wälder, Flüsse, Industrie und könnte bei einer Katastrophe ohne weiteres ohne Tourismus überleben. Wir, die Kanaren, haben nichts dergleichen. Wir können ohne Tourismus nicht überleben und schon gar nicht ohne Wasser. Die Experten warnen. Auch ein kleiner Ölaustritt kann die Meerentsalzungsanlge für Monate ausser Betrieb setzen. Und was dann?? Dieses Szenario ist wahrscheinlich das schlimmste für uns alle. 140000 Einwohner mit 2 Millionen Touristen im Jahr, ohne Wasser. Das Risiko ist einfach zu hoch.
Save Canarias Deutschland Danke für dein Interesse
Thomas Wetschnig Ob es hinsichtlich der Sicherheit einen Unterschied macht, ob eine staatliche oder eine private Firma das Öl fördert, da habe ich meine Zweifel. Allerdings habe ich inzwischen festgestellt, dass die Nordsee maximal 100 m Tief ist. Zwischen Marokko und Fuerteventura dürfte es um einiges tiefer sein. Last not least freut es mich, dass es gelungen sein dürfte, eine Emotionsdiskussion in eine Sachdiskussion umzuwandeln. Good Luck!

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