Natürlich ging ich auch in die Schule – immerhin 14 lange
Jahre. Natürlich glaubte ich lange Zeit all diese Gemeinplätze, die mir dort
eingetrichtert wurden:
·
Dieses Land ist Dein Vaterland.
·
Du musst Deine Heimat lieben
·
Du kannst nur eine Heimat haben.
·
Nirgendwo ist es schöner als zuhause.
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Du musst auf Deine Heimat stolz sein.
·
Deine Heimat hat so viele weltberühmte Genies
hervorgebracht.
·
Von den Grenzen geht Gefahr aus.
·
Du musst bereit sein, für die Heimat Opfer zu
bringen.
Diese Liste ließe sich noch
beliebig erweitern. Aber je mehr ich nachzudenken begann, umso mehr machten
sich auch die Zweifel breit. Gerade mit einem slowenisch-, kroatisch-,
italienisch- und ungarischen Stammbaum hatten wir viele Verwandte, die jenseits
der Grenzen lebten und die wir auch regelmäßig besuchten. Warum sollte ich mich
also von diesen bedroht fühlen?
Damals in den 70er Jahren gab es
in Europa nur 2 Staaten, wo man nicht zwangsweise zum Militär einrücken musste.
Diese waren Großbritannien und Irland. Früh reifte daher in mir der Entschluss,
nach dem Ende der Schulzeit nach England zu ziehen. Wozu hatte ich denn in der
Schule 9 Jahre Englisch gelernt?
Aber erst mit dem
Staatsbürgerkundeunterricht in der Schule wurde mir bewusst, daß man mit einem
Umzug nach England noch lange kein Engländer wird. Zwar lernten wir, daß ein
Staatsvolk aus allen Menschen besteht, die im Staatsgebiet ihren ständigen
Aufenthalt haben, aber nicht alle Angehörigen des Staatsvolkes die gleichen Rechte
hätten. Denn darüber hinaus gibt es eben noch die Staatsbürgerschaft, die man
nicht einfach durch Wohnsitzverlegung wechseln kann, sondern man sie quasi wie
eine Fußfessel überallhin mitnehmen muß.
Da ich mir über den Sinn dieser
Regelung meine Gedanken machte, gelangte ich nach längerer Zeit zur Erkenntnis,
daß dieser nur darin bestehen könne, die Menschen am Gängelband zu halten indem
man:
·
einen erheblichen Teil des Staatsvolkes von den
Wahlurnen fernhält und
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über die Inhaber der Staatsbürgerschaft auch
außerhalb der Staatsgrenzen Kontrolle ausübt, wenn diese regelmäßig die
Konsulate besuchen müssen um ihre Personaldokumente erneuern zu lassen, solange
sie nicht von einem anderen Staat welche bekommen können.
Da ich selbst keine Möglichkeit
hatte, an diesem Zustand etwas zu ändern, war mir klar, daß der Nationalstaat
nichts anderes ist als ein Konstrukt, daß dazu dient, die Menschen auch über
die Landesgrenzen hinaus in seiner Abhängigkeit zu halten. Ob ich nun wollte
oder nicht – ich musste mich damit arrangieren.
Wie berühmt und bedeutungsvoll
diese Heimat nun tatsächlich ist, erfuhr ich auf meiner ersten Fernreise.
Damals im Winter 1973/74 folg ich noch mit meinen Eltern über Neujahr nach
Bangkok. Es war nicht nur meine erste Flugreise sondern auch die erste Reise zu
einem fernen Kontinent. Und Flugzeuge, die diese Strecke non stop fliegen
konnten gab es damals noch nicht. Daher
hatten wir eine Zwischenlandung im pakistanischen Karachi. Vor der Landung
sagte die Flugbegleiterin (damals nannte man sie noch Stewardessen) über den
Bordlautsprecher durch, daß hier aufgrund einer lokalen Vorschrift das
Fotografieren verboten sei. Ich war neugierig, ob dies nur für den Flughafen
oder für das gesamte Land galt, aber eine diesbezügliche Frage wurde mir nicht
beantwortet. Aber es war auch dunkle Nacht und was hätte man denn da auch schon
fotografieren sollen.
Nun landeten wir also in Karachi
und mussten das Flugzeug verlassen, während es aufgetankt wurde. Direktes
Andocken am Terminal war zur damaligen Zeit noch an sehr wenigen Flughäfen
möglich, daher stand vor dem Flugzeug ein Bus, der die Passagiere zum
Transitraum brachte. Dieser war nichts weiter als eine Betonhalle am Rande des
Flugfeldes, wo es Getränke und zollfreie Zigarette zu kaufen gab. Und das Tor,
durch welches wir diese Halle betreten hatten blieb während des gesamten
Aufenthaltes offen, wodurch es auch möglich war, sich im Freien ein wenig die
Beine zu vertreten (was in der heutigen Zeit wohl undenkbar ist). Und so hatte
ich auch die Gelegenheit, mit einem Flughafenarbeiter ein paar Worte zu
wechseln.
Woher ich denn komme, fragte er
interessiert. „Austria“ antwortete ich. „Australia“ sagte er und nickte
freundlich. „No“ erwiderte ich: „Vienna!“. „Vietnam?“ wollte er sich
vergewissern. „No“ sagte ich wiederum: „I am from Europe“. Nun schien er
verstanden zu haben und fragte:
„England?“
„No“
„Germany?“
„No“
“France?”
“No”
“Austria” sagte ich nochmals.
„Australia?“
Nun gab ich die Konversation auf
und mit einem Mal wurde mir klar, daß mindestens 90% der Menschheit gar nicht
wissen, wo Österreich überhaupt liegt.
Durch diese Erfahrung eröffnete
sich für mich zwangsläufig die Frage, warum ich eigentlich dieses Land lieben
und vielleicht sogar noch ein Glaubensbekenntnis darauf ablegen sollte?
Ja, es gibt schöne Landschaften
in diesem Land, aber gibt es solche anderswo etwa nicht?
Ja, es gibt schöne
Kulturdenkmäler in diesem Land, aber gibt es solche anderswo etwa nicht?
Ja, es gibt freundliche Menschen
hier, aber gibt es solche anderswo etwa nicht?
Ja, ich habe ein paar Freunde
hier, aber kann ich diese anderswo nicht auch haben?
Ja, leider gibt es hier auch sehr
viele intolerante Menschen, aber auch solche gibt es auch anderswo.
Ja, es gibt auch jedes Jahr einen
lange andauernden kalten Winter. Den gibt es anderswo zwar auch, aber es
existieren viele schöne Weltgegenden, wo es einen solchen nicht gibt und ich
gerne dorthin ins klimatische Asyl gehe.
Bin ich eigentlich mit dem Boden
verwurzelt, oder habe ich nicht vielmehr von der Natur 2 Beine bekommen um mich
damit bewegen und meinen Standort verändern zu können?
Conclusio:
Es ergibt nicht den geringsten
Sinn, warum man „Patriot“ sein sollte. Vaterländer sind ein Übel, das
mittelfristig überwunden werden muss (und davon nehme ich auch Österreich nicht
aus).
Und die Ablegung eines „Fahneneides“
steht meiner inneren Überzeugung diametral entgegen. Niemand darf zur Ablegung
eines solchen genötigt werden. Glaubens- und Gewissensfreiheit sind immerhin
Teil der europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtscharta der
Europäischen Union. Wer die Ablegung eines derartigen Eides verweigert, sollte
sich unbedingt auf diese Rechte berufen.
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